Gemeinsam gegen das Deutschlandfest der SPD


150jahre_sidebar2 2013 ist das Jahr in dem die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ihr 150 jähriges bestehen feiert. Dafür hat sie sich einiges einfallen lassen. Im Jubiläumsjahr gibt es seit Jahresbeginn bundesweit Veranstaltungen bei welchen die SPD versucht ihre Geschichte zu rekonstruieren. Auf der Jubiläumsseite (150-jahre-spd.de) wird über eine Zeitschiene versucht die eigene Geschichte aufzuarbeiten.

Am 17. August wird in Berlin vor dem Brandenburger Tor mit de m „Deutschlandfest der SPD“ gefeiert. Dieses soll zugleich Höhepunkt der Jubiläumsjahres sein. Zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule erwarten die Veranstalter*innen bis zu 100.000 Menschen. Angela Merkel und Joachim Gauck werden Gastreden h alten. Zwisc hen Bratwurststand, Wahlkampfreden und musikalischen Beiträgen u.a. von Roland Kaiser, den Prinzen und Samy Deluxe wird das nationalistisch aufgeladene Happening abgerundet.

Haben die uns verraten?

Bei näherer Betrachtung sind uns einige interessante Dinge aufgefallen, die wir im folgenden thematisieren möchten.

Das erste ist eigentlich ein alter Hut, muss aber dennoch gesagt werden, weil es das Gesamtbild der sogenannten Sozialdemokraten komplettiert. So feiert sich die SPD, im Artikel zum Jahr 1918 der SPD-Zeitschiene, dafür die erste deutsche Republik durch Philipp Scheidemann ausgerufen und damit schlimmeres verhindert zu haben. Außerdem schreibt sie sich an die Spitze der meuternden Matrosen in Kiel und der streikenden Arbeiter*innen im gesamten deutschen Kaiserreich. Das unter den Streikenden auch viele SPDler*innen waren soll gar nicht bestritten werden, dennoch ist es von der SPD mehr als vermessen, dass eintreten der Arbeiter*innen für eine Welt ohne Krieg komplett für sich zu vereinnahmen, beziehungsweise sich als deren Speerspitze zu präsentieren. Zumal gleichzeitig lobend Gustav Noske angeführt wird, der die Revolutionär*innen in Kiel ausbremsen sollte. Dazu passt auch das Verschweigen der Morde an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die mit Genehmigung und Wissen der SPD Führung erfolgten. Der USPD (Unabhängige SPD), der auch Karl und Rosa angehörten, wird in den Beiträgen, die sich mit der Rolle der SPD im Ersten Weltkrieg beschäftigen keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt. Das dadurch auch der Burgfrieden der Parteien, der die Dauer und Vernichtungskraft des Krieges erst möglich gemacht hatte, nicht kritisch behandelt wird versteht sich schon von selbst. Auch der Bruch mit dieser Haltung durch die USPD und der streikenden Massen scheint von der SPD bis heute als eher störend bewertet zu werden. So wird 2013 der Verrat an Arbeiter*innenkämpfen sowie der internationalistische Klassenkampf und Antimilitarismus einfach unter den Teppich gekehrt und die eigene Rolle beschönigt. Wie sich zeigen sollte haben Krieg, Rassismus, Chauvinismus und Verrat an der Arbeiter*innenklasse seitdem Tradition in der SPD.

Die Jahre des Faschismus sind der SPD ganze vier Jahre (1933, 1934 1935, 1939) auf ihrer Zeitschiene wert. Der gemeinsame Kampf gegen den Faschismus von SPD und KPD Anhänger*innen auf der Straße, in den Betrieben und in den KZ’s wird dabei nahezu reflexartig verschwiegen. Dies verdeutlicht, dass die mittlerweile aufgehobene Nachkriegsdoktrin der Unvereinbarkeit von SPD und VVN-BdA Mitgliedschaft sich tief in die Köpfe der SPDler*innen eingebrannt hat. Wenn der gemeinsame Kampf gegen den Faschismus in Europa im offiziellen Selbstverständnis der SPD keinen Stellenwert mehr hat, dann sind die rassistischen und sozialdarwinistischen Aussagen und deren Popularität von Sarrazin und Buschkowsky nur logische Konsequenz.

Den Zeitraum von 1945-1980 wollen wir nicht tiefer behandeln. Nur soviel sei gesagt Antikommunismus und schleichender Neoliberalismus gaben sich die Hand und das wird auch in den vermeintlich ausgewogenen Texten auf der Homepage deutlich. Das von der SPD hochgejubelte Godesberger Programm war letztendlich eine Kündigung an die letzten Reste alter klassenbewusster Werte, Ideen und Forderungen. Die SPD wurde endgültig zur Handlangerin kapitalistischer Interessen.

Was uns als „Rassismus Tötet“ Kampagne jedoch besonders aufstößt ist die Beschönigung der Politik der letzten 30 Jahre. Das in den 1980er Jahren die Grundlagen für eine restriktive und inhumane Asylpolitik geschaffen wurden dürfte den wenigsten Menschen noch bewusst sein. Mit der Verabschiedung des sogenannten Asylverfahrensgesetz im Jahr 1981 wurde durch eine SPD geführte Bundesregierung der Zugang zum Asylrecht erschwert und die Lebenslage für in Deutschland lebende Asylsuchende immens verschlechtert. Viele der damals beschlossenen Regelungen werden bis heute von verschiedenen selbstorganisierten Flüchtlingsorganisationen und antirassistischen Gruppen kritisiert. Dazu gehören unter anderem Residenzpflicht oder die Option für Bundesländer und Kommunen Sozialleistungen für Asylsuchende als Sachleistungen auszugeben. An dieser Politik der Abschreckung orientierten sich die nachfolgenden CDU Regierungen, beispielsweise 1986 mit einem fünfjährigen Arbeitsverbot für Asylsuchende.

Lagerland dank SPD

Bereits unter dem deutschen Kolonialregime mit der Internierung der „Herero“ wurden Menschen nach biopolitischen Kriterien selektiert. Die deutsche Vernichtungspolitik im NS wurde mit einem europaweiten Lagersystem umgesetzt. Dennoch wurde politisch bewusst entschieden Lager als Abschreckungsinstrument in Deutschland beizubehalten .

Diesbezüglich stellt das Jahr 1982 für Geflüchtete Menschen eine Zäsur dar, weil die von Helmut Schmidt geführte „sozialliberale Koalition“ ein perfides Lagersystem installierte welches bis heute den Alltag und die Lebenswelt von mehreren hunderttausenden Menschen bestimmt. Die Isolierung in halboffenen Lagern dient ausschließlich dazu, potentiell fliehende Menschen abzuschrecken sowie Migrations- und Fluchtbewegungen zu kontrollieren.

Die Einführung von Lagern durch die SPD verdeutlicht das Zusammenspiel rassistischer Ausgrenzung mit kapitalistischer Verwertungslogik. So ist die Einführung von Lagern auch Folge des Anwerbestopps von Facharbeiter*innen aus Südeuropa. Der Bedarf an billigen Arbeitskräften wurde durch ein dezentrales Lagersystem befriedigt, indem reguliert Asylsuchende auf dem Arbeitsmarkt in den Kommunen zugelassen wurden. Die Folgen sind bis heute für Asylsuchende fatal.

Weder die Pogrome und Brandanschläge in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau, Solingen und unzähligen anderen Städten, noch die Morde, Verletzungen und Angriffe durch Neonazis finden in der 150 jährigen Geschichtserzählung eine Erwähnung. In Zeiten des NSU-Prozesses ist das nicht nur ein Exempel totaler Ignoranz gegenüber dem sogenannten migrantischen Teil der Bevölkerung, nein es ist konsequente SPD Politik. Vor 20 Jahren hat ein überwältigender Teil dieser Partei für die faktische Abschaffung des Asylrechts gestimmt. Der linke Flügel stellte sich erfolglos dagegen, als Konsequenz verließen tausende die Partei. Dabei bleibt festzuhalten dass die SPD 1993 gegenüber CDU/FDP nicht „eingeknickt“ ist. Die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl wurde erst durch die SPD als Oppositionspartei möglich. In der SPD wurde seit 1990 offen gegen Asylsuchende gehetzt. Die Metaphern der „Asylantenflut“ wurde genauso aufgegriffen wie von anderen Parteien und den Medien und dann letztlich politisch umgesetzt. Der sogenannte Asylkompromiss ist also vielmehr Ausdruck eines gesellschaftlichen Bündnisses welches von Sozialdemokrat*innen bis hin zu Neonazis reicht und sich unter der Formel „Ausländer raus“ in der Berliner Republik zusammen fand.

Rechtspopulismus in der SPD zu Hause

Während die SPD seit dem Petersberger Parteitag 1992 Auslandseinsätze der Bundeswehr befürwortet und durch Kriege weltweit Menschen in die Flucht zwingt hetzte sie im Inneren verschiedene Bevölkerungsteile gegeneinander auf. Arbeitende gegen Arbeitslose und „Echte Deutsche“ gegen „Menschen mit Migrationshintergrund“ . Leute wie Sarrazin und Buschkowsky stehen in der SPD nicht so isoliert da wie es viele glauben möchten, schließlich sagen sie nur laut was die SPD seit Jahrzehnten praktiziert. Erinnert sei an das Jahr 1998 in dem Gerhard Schröder als geistiger Brandstifter agierte und offen forderte kriminelle Ausländer abzuschieben. “Wer unser Gastrecht missbraucht, für den gibt es nur eins: Raus, und zwar schnell!” Es blieb nicht nur bei Worten oder wahltaktischer Fischerei am rechten Wähler*innenrand. Auch unter Rot-Grün gab es massenhafte Abschiebungen und parallel dazu Zuwanderung nach kapitalistischer Verwertungslogik wie es die „Green-Card-Initiative (2000) deutlich machte.

Nicht alle Teile der Basis mögen rassistische, sozialdarwinistische Einstellungen, Parolen und Handlungen gutheißen, aber kaum eine*r ist auf die Barrikaden gegangen als es nötig gewesen wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Sarrazin kann sich einer ideologischen Unterstützung bis in die Parteispitze sicher sein. So verteidigte Kanzlerkanidat Steinbrück seinen Freund gegen einen Parteiausschluss und bezeichnete Sarrazins Thesen als „ zutreffende Ausführungen“.

Im Kern treffen diese Zitate auch die Realpolitik seit der Agenda 2010. Menschen die ihren Lebensmittelpunkt in der BRD haben, sollen b evölkerungpolitisch kontrolliert und so gut wie möglich kapitalistisch vergesellschaftet werde n. Auch die unter der SPD forcierte Integrationsdebatte ist ein Ergebnis von gesamtgesellschaftlichem Rassismus und sozialer Ausgrenzung. Es geht um eine politische und kulturelle Resozialisierung und Umerziehung von Migrant*innen. Alle anderen die nicht mitmachen wollen, sollen am besten in ihre vermeintlichen Herkunftsländer gehen, weil sie die Deutschland AG daran hindern sich als Global Player dauerhaft zu etablieren und vom globalen Süden weiter abzugrenzen.

Das die Zustimmung zur faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl mit den Vorstellungen der Verfasser*innen des Grundgesetzes brach, interessiert die SPD in ihrer Selbstbeweihräucherung nicht. Auf der einen Seite wird der große Fortschritt des Grundgesetzes im Vergleich mit anderen Verfassungen gefeiert, aber die schrittweise Unterhöhlung desselben durch Sozialabbau, Überwachung, Krieg, Rassismus wird nicht mal ansatzweise thematisiert.

Mehr noch, dass die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl praktisch zeitgleich mit den ersten imperialistischen Auslandseinsätzen der Bundeswehr erfolgte ist kein Zufall. Die erste offizielle Beteiligung der Bundeswehr an einem Kriegseinsatz unter einer SPD geführten Bu n desregierung auch nicht.

Mit Austerität und Nationalismus die Krise bewältigen

Die SPD hatte sich 80 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg einmal mehr als Vertreterin der Interessen des militärisch industriellen Komplexes geoutet.

Deutsches Großmachtstreben wurde und wird in der Innen - und Außenpolitik ausgelebt. Heute werden in Deutschland Hartz4 Empfänger*innen drangsaliert und diskriminiert, Menschen bis in den Tod zwangsgeräumt und Rassismus als Bestandteil deutscher Migrationspolitik bedient. Parallel dazu müssen Menschen in Südeuropa unter dem von der SPD mitgeschwungenen Knüppel deutscher Austeritätspolitik leiden. Das alles sind direkte Ergebnisse von SPD Politik. Daher verwundert es auch nicht, dass die SPD die nationale Karte zieht und mit einem „Deutschlandfest“ versucht Nation und Kapital weiterhin zu stützen.

Kampf den deutschen Scheißzuständen

Unsere Wahl Antirassismus!

Es kann deshalb nur gelten, Graswurzelarbeit zu leisten, jenseits von Staat und Nation die Steine selbst in die Hand zu nehmen, eine andere Gesellschaft aufzubauen und den Weg der Emanzipation und des Fortschritts zu gehen. Deswegen werden wir auch weiterhin den Widerstand des Refugee Protest unterstützen ohne dabei zu vergessen Nazis, Rechtpopulist*innen und andere Rassist*innen aller Couleur konsequent und vielfältig zu bekämpfen.

Wir rufen daher auf den Wahlkampf antirassistisch zu begleiten und das Deutschlandfest der SPD am 17.8 in Berlin zu stören.

Checkt www.150-jahre-spd.net

Kampagne Rassismus tötet!

August 2013

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