Antirassistische Gruppen haben am gestrigen Montag bundesweit mit Aktionen an den 21. Jahrestag des rassistischen Pogroms von Hoyerswerda erinnert. In Berlin, Dresden und Göttingen wurden Videokundgebungen veranstaltet, bei denen auf öffentlichen Plätzen Filmszenen aus Hoyerswerda gezeigt wurden. In Paderborn, Rostock und Cottbus fanden Vorträge statt.
Am morgigen Mittwoch erscheint eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen des Stadtrates und des Oberbürgermeisters mit der Überschrift „Hoyerswerda ist und bleibt ein Ort der Vielfalt“. In dem Schreiben weisen die Stadträte auf die zahlreichen „Projekte, Aktionen und Initiativen – für Demokratie, Toleranz und Vielfalt, gegen Rechtsextremismus und Ausländerhass“ hin, die in Hoyerswerda bestünden. In dem Brief heißt es außerdem:
„Ganz entschieden wenden wir uns aber gegen die Bezeichnung als Pogrom, da dieser Begriff fest mit der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus verbunden ist.“
Überregionale Medien und Aktionsgruppen würden
„die Stadt Hoyerswerda und uns alle (…) verunglimpfen“
.
Daran kritisiert Mathias Buchner von der Initiative „Pogrom 91“:
„Uns freut jedes Engagement gegen Neonazis und Rassismus. Wir machen darüber hinaus nicht jeden einzelnen Bürger Hoyerswerdas für die Ereignisse von 1991 oder für aktuelle Neonaziprobleme verantwortlich. Allerdings wollen wir daran erinnern, dass es 1991 hunderte vermeintlich ganz normaler Hoyerswerdaer waren, die vor den Heimen applaudierten und tausende Andere untätig zu- oder wegsahen. Wir fragen den Stadtrat, warum ausgerechnet die Kritik von Medien und antirassistischen Gruppen am Umgang mit 1991 der Anlass für eine fraktionsübergreifende Erklärung ist? Schließlich war den Stadträten die
Bedrohung
von Jugendlichen der Linksjugend Ende August von einer mit einem Messer bewaffneten Gruppe Neonazis keine Stellungnahme wert. Ebenso wenig der erneute
Angriff
von Neonazis auf drei Betroffene von 1991, die im vergangen Jahr zu Gast waren. Wir fragen die Ratsabgeordneten außerdem, warum sie sich und ihre Bürger kollektiv gegen die Kritik am Umgang mit 1991 verteidigen, ohne sich dabei von den Tätern von 1991 und den Neonazis von heute zu distanzieren. Neonazis und Rassisten werden dadurch heute wie damals in die Gemeinschaft der Bürger der Stadt mit eingeschlossen, die es gegen vermeintliche Kritik von Auswärtigen zu verteidigen gilt. Ein solches Denken hat Ereignisse wie 1991 mit ermöglicht. Wir kritisieren, dass Engagement gegen Rechts nur so lange gern gesehen wird, wie es für die Standortaufwertung nützlich ist. Ohne Rückhalt ist dagegen, wer sich in seiner Kritik am Umgang mit rechter und rassistischer Gewalt gegen politische und zivilgesellschaftliche Akteure oder die Polizei richtet, die oft nicht entschlossen genug reagieren. In unserer Jugend in Hoyerswerda wurden stets wir als antifaschistische Jugendliche als Nestbeschmutzer angesehen – und nicht die Nazis, die uns jagten.“
„Pogrom 91“ und „Rassismus tötet!“ berufen sich bewusst auf den Begriff Pogrom, denn er ist nicht auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt. So heißt es in der Online Enzyklopädie Wikipedia: „Ein Pogrom ist die gewaltsame Ausschreitung gegen Menschen, die entweder einer abgrenzbaren gesellschaftlichen Gruppe angehören oder aber von den Tätern einer realen bzw. vermeintlichen gesellschaftlichen Gruppe zugeordnet werden.“ Dass die Stadt den Begriff des rassistischen Pogroms ablehnt, ist eine Relativierung und Verharmlosung der Ereignisse von 1991.
Informationen:
www.rassismus-toetet.de
www.pogrom91.tumblr.com/demo
Pressekontakt:
Mathias Bucher (Pressesprecher Initiative “Pogrom 91”)
Mail:pogrom91[at]fastmail.net
Pressetelefon: +4917698443418
Martin Peters (Pressesprecher „Rassismus tötet“)
Mail: rassismus_toetet[at]riseup.net
Tel: 015784626097