A Love Story-Rechter Terror und der VS


Der Verfassungsschutz – Ein brauner Traditionsverein

In der offiziellen Geschichtsschreibung der Bundesrepublik Deutschland wird gerne der Ausdruck der „Stunde Null“ bemüht. Er soll zeigen, dass mit der nationalsozialistischen Vergangenheit personell, strukturell und ideell gebrochen wurde. Dies entspricht jedoch in keiner Weise der Realität. In den Gerichten, der öffentlichen Verwaltung, Firmen und andere Bereichen des gesellschaftlichen Lebens blieben viele ehemals aktive Mitglieder der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) oder anderer verbrecherischer Organisationen sitzen.

Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Trotzdem gibt es einen herausragenden. Viele (ehemalige) Nazis wurden auf Grund ihrer Expertise in organisatorischen, verwaltungstechnischen oder anderen Fragen beim Aufbau des neuen westdeutschen Staates gegen den Kommunismus benötigt. Weshalb die Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich nach einer relativ kurzen Phase der Entnazifizierung schon ab 1948 bei der Wiedereinstellung von (ehemaligen) Nazis ein Auge zudrückten. Die „Organisation Gehlen“ is das beste Beispiel dafür. Aus ihr entstand nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) der  Bundesnachrichtendienst (BND). Aber auch andere Bereiche, wie die Weiterverwendung von ehemaligen Nazirichtern in der BRD oder die Weiterbeschäftigung von aktiven NSDAPlern im Auswärtigen Amt sprechen die gleiche Sprache.

Auch strukturell geschah nach 1945 kein absoluter Bruch. Zwar hat das Grundgesetz eine klare antifaschistische Ausrichtung und war für seine Zeit absoluter Vorreiter bei der Anerkennung von Menschen- und Bürgerrechten, dennoch blieben im deutschen Recht nationalsozialistische Paragraphen und Absätze bestehen. Beispielsweise die rechtliche Verfolgung homosexueller Kontakte in der BRD und der DDR, wobei die DDR hier weitaus progressiver aufgestellt war als ihr deutschsprachiges Nachbarland.

„Auf der Basis des 131er-Gesetzes vom Mai 1951 erhielten auch sie die Rechte auf Wiedereinstellung, Übergangsgelder und Pensionen. Der Weg in die bundesdeutsche Polizei sowie in BND, BKA und Verfassungsschutz – auch in leitende Funktionen – wurde geöffnet und zügig genutzt. Die gleichzeitige Verfolgung von Kommunisten und weiteren Gegnern der Politik Adenauers, die beginnende Aufrüstung und die weitgehende Rehabilitierung der Wehrmacht, das Beschweigen der Großverbrechen in vielen Ländern Europas sowie Amnestien und Verjährungen von NS-Verbrechen schufen ein politisch-moralisches Klima, in dem schließlich selbst die Vordenker und Akteure in der Zentrale der Vernichtungspolitik – im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) – von Strafen verschont blieben.“1

Die Weiterverbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts wurde gerade durch die bestehenden personellen Kontinuitäten erst möglich. So konnte sich in so manchem Ortsverein eine rassistische bis faschistische „Leitkultur“ etablieren. Die Unterwanderungsversuche der Freien Demokratischen Partei (FDP) durch Nationalsozialisten. Zentral war hier Friedrich Naumann, ehemaliger NS-Staatssekretär, der in der nordrheinwestfälischen FDP ein ganzes Netzwerk ehemaliger Nazis aufbaute. Doch die Nazis arbeiteten nicht nur verdeckt weiter. Bis zu ihrem Verbot 1952 konnte die Sozialistische Reichspartei (SRP) offen bei Wahlen antreten und ihre faschistischen Ergüsse verbreiten und trotz eines Verbots der Gründung von Nachfolgeorganisationen bildete sich 1964 die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) aus verschiedenen nationalsozialistischen Ablegern der SRP. Sie war in den darauffolgenden Jahren bis 1972 in sieben Landtagen vertreten und verpasste 1969 den Einzug in den Bundestag nur knapp (4,3% bei einem 3 Parteienparlament).

In dieser Gemengelage ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch der 1950 gegründete Verfassungsschutz (VS) nicht unbelastet blieb. Während der erste Leiter dieser Organisation, Otto John noch Mitglied im deutschen Widerstand war folgte auf ihn ab 1955 der ehemalige Nazirichter Hubert Schrübbers der diese Position bis 1972 inne hatte und zahlreiche Stellen mit ehemaligen Angehörigen der SS und der Nazigeheimdienste besetzte. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der VS von da an mehr als  nur enge Kontakte zum neonazistischen Spektrum pflegte. Eine Politik die auch nach ihm, dank personeller Kontinuitäten auf den verschiedenen Ebenen und einer allgemeinen antikommunistischen Ausrichtung der bundesrepublikanischen Politik in den Ämtern des VS ohne Probleme fortgeführt werden konnte.

Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Neonazis

Wie bereits gezeigt gab es oft keine ideologischen Hürden zwischen VS- Mitarbeitern und Neonazis. Besonders interessant wurde dies jedoch  in den 70er und 80er Jahren. Der meist jüngere Teil der Neonaziszene, der keine eigenen Kampferfahrungen im Zweiten Weltkrieg gemacht hatte, begann sich aktiv in militanten und bewaffneten Gruppen zusammenzufinden. Am bekanntesten dürfte hierfür die 1973 gegründete Wehrsportgruppe Hoffmann sein. Ihre Zusammenarbeit mit der NPD und der Deutschen Volksunion (DVU) bedeutete anfangs noch den Schutz von Veranstaltungen eben dieser und anderer neofaschistischer Organisationen. Sie diente späteren Wehrsportgruppen (WSG’s) als Vorbild und Mythos und orientierte sich selbst am theoretischen Konzept der sogenannten Wehrwolfgruppen von 1945, die mit Sabotageakten den Vormarsch der Alliierten aufhalten sollten und  Deutschland unregierbar für die antifaschistischen Kräfte machen sollten. In Anlehnung an diese Idee mit Kleingruppen einen nationalsozialistischen Staat erhalten bzw. aufbauen zu können bildeten sich in den 70ern diverse WSG’s. Die WSG’s führten militärische Übungen durch und besaßen diverse Waffen. Wichtig ist es zu wissen woher diese Waffen stammten. Oft genug stammten Waffen oder Munition aus Polizei- und Bundeswehrbeständen, wie beispielsweise beim Mord an dem jüdischen Verleger Shlomon Levin und seiner Lebensgefährtin. Natürlich kann den Sicherheitsbehörden ein laxer Umgang mit dem eigenen „Arbeitsmaterial“ vorgeworfen werden, aber mit großer Sicherheit ist auch von der berühmten Blindheit auf dem rechten Auge auszugehen.

In diesem Stadium hatte der Verfassungsschutz bereits seine V-Männer in den Wehrsportgruppen untergebracht. Der Begriff der V-Männer leitet sich dabei von dem Wort Vertrauensmann ab. So soll gezeigt werden, dass der Staat, beziehungsweise der Geheimdienst, dieser Person und ihren Informationen Vertrauen kann. Die meisten V-Männer sind dabei überzeugte Neofaschisten, die vor allem aus finanziellen Gründen eine Zusammenarbeit mit dem VS suchen. Eine ideologische Abkehr vom Nationalsozialismus ist dabei in den seltensten Fällen zu beobachten. Eine der Ursachen dafür weshalb die Einschätzung als „Vertrauensmann“ oft genug nicht stimmen kann.  Im Fall der WSG’s beließ es der VS dabei die Gruppen zu „beobachten“ anstatt sie hochzunehmen und der Justiz zuzuführen. Das soll nicht unseren Glauben an die Justiz oder andere staatliche Institutionen zeigen sondern deutlich machen wie eng die gegenseitige Zusammenarbeit von VS und Neonazis war und ist.

Schließlich hatten auch Neofaschisten keine Probleme damit sich staatlicher Gelder zu bedienen. In den 80er Jahren gab es mehrere (bekannte) Fälle in denen Mitglieder von neofaschistischen Parteien, Kameradschaften und Gruppen mit dem Wissen der Kameraden Informationen an den VS weitergaben um mit dem Geld das sie für die Infaormationen erhielten die eigenen Tätigkeiten zu finanzieren. Ein Beispiel für ein solches Vorgehen liefert das Mitglied der Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands Andreas Szypa. Andere V-Männer z.B. Hans Dieter Lepzien bauten Bomben oder  besorgten Waffen wie Joachim Apel und Werner Gottwald. Einige stifteten auch mit Wissen und Schutz des VS zu Straftaten an bspw. Wolfgang Frenz und Udo Holtmann oder warnten wie Norbert Schnelle die  Kameraden vor Hausdurchsuchungen. Diese und andere Fälle stellen auf Grund der fehlenden ideologischen Distanz zwischen Neonazis und VS vor allem eins heraus: Die neofaschistische Szene der BRD konnte sich ohne Probleme mit Waffen und Geld versorgen. Ein Umstand der erklärt, weshalb sich eine starke nazistische Strömung in Westdeutschland erhalten konnte.

Wende und NSU

Im Gegensatz zur BRD verstand die DDR sich als antifaschistischer Staat, weshalb sie mit heftiger Repression gegen offen nazistische Positionen vorging. Dennoch konnten sich in ihr rassistische und faschistische Denkmuster erhalten. Zum einen, weil auch die DDR an bestimmten Stellen mit ihrer Entnazifizierungspolitik versagte, beziehungsweise mit Rücksicht auf die eigene wirtschaftliche Lage „fünfe gerade sein ließ“. Später bei der Verwendung der Arbeiter aus den sogenannten „sozialistischen Bruderländern“ (besonders Vietnam) wurde die DDR ihrem Anspruch ein menschlicheres System als der Kapitalismus darzustellen nicht gerecht. In der Bevölkerung konnten sich wie in der BRD rassistische Denkmuster erhalten, nur dass diese mit einer Propaganda der internationalen Völkerfreundschaft übertüncht wurden.

Mit der Wende wurden in der ehemaligen  DDR die Gefängnisse auch für die dort einsitzenden Faschos geöffnet. In dem untergehenden Staat fanden sie zusammen und versuchten sich zu organisieren. Dabei erhielten sie von der ersten Sekunde an Hilfe von westdeutschen Kameraden. Im wirtschaftlichen und sozialen Niedergang Ostdeutschlands in den 90ern fanden sie die perfekten Bedingungen um sich in der Mitte der Gesellschaft auszubreiten und rassistische und faschistische Parolen und Meinungen in der Gesellschaft zu verbreiten.

Dieser Taktik stand auch die Art und Weise des Umgangs der westdeutschen Politik und Verwaltung  mit dem neu hinzugekommenen Territorium zur Seite. Im Wesentlichen wurde die westdeutsche Organisationsstruktur den neuen Bundesländern ohne Rücksicht auf die Interessen der lokalen Bevölkerung aufgestülpt. Viele Ostdeutsche sehen die „Treuhand“ als Sinnbild für diesen Prozess. Neben der Abwicklung von Betrieben, beziehungsweise deren Verkauf an westdeutsche „Unternehmen“  wurden viele Stellen in der Verwaltung mit westdeutschen Verwaltungsbeamten aus der 3. oder 4. Reihe besetzt. Dies betraf nicht etwa niedrigere Dienstgrade sondern besonders die hohen Leitungsebenen.

Im Zusammenhang mit organisierten Neonazis ist der ehemalige Leiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Helmut Roewer zu nennen. Dieser und andere setzten die aus Westdeutschland bekannte Strategie des Wegsehens und Unterstützens fort. Dieses Vorgehen hat in dem Umgang der deutschen Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden mit dem selbsternannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) seinen traurigen Höhepunkt gefunden. Sogar die rechtskonservative Wochenzeitung „Die Zeit“ mahnt vor den Konsequenzen einer verfehlten Politik des Verfassungsschutzes mit Neonazis. So hat sie Beispiele aus den Jahren 2000 und 2006 aufgeführt, die exemplarisch zeigen welche Vorteile Neofaschisten von der Zusammenarbeit mit dem Staat haben können. (siehe: http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/11/17/waffen-drogen-nazi-propaganda-das-falsche-spiel-rechtsextremer-vs-spitzel_7541http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/11/17/waffen-drogen-nazi-propaganda-das-falsche-spiel-rechtsextremer-vs-spitzel_7541)

Allerdings geht es uns nicht, wie bereits angemerkt, darum den Behörden und der Politik Naivität im Umgang mit Neonazis zu unterstellen sondern ganz klar festzuhalten, dass sich von dem Einsatz ehemaliger Nazis in hohen Ämtern der Bundesrepublik, über die faktische Abschaffung des Asylrechts bis zum mordenden Neonazi-Trio (NSU) ein roter Faden zieht. Die Herrschenden sind nicht interessiert daran Rassismus und Faschismus ernsthaft etwas entgegenzusetzen, da es in letzter Konsequenz die eigene wirtschaftliche und politische Macht angreifen würde. Die hier geschilderten Fakten und Zusammenhänge dienen einzig der Illustration und schlaglichtartigen Betrachtung des ganz alltäglichen Wahnsinns. Natürlich müssen in erster Linie rassistische Pogrome und faschistische Morde bekämpft werden, aber in letzter Konsequenz bedeutet dies auch den Bruch mit der kapitalistischen Logik und das Eintreten für eine komplette Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse.

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